Philosophie Convent

Lebenskrise und Sinnfindung

„Ich habe eine Kaskade von quälenden Gedanken durchlebt, die als immer schnellerer Frage-Antwort-Diskurs ablief. Die jeweilige Antwort war stets negativ und die sich als Konsequenz ergebende nächste Frage hatte das gleiche Ergebnis. Als es schließlich zu dem Punkt kam, wie diese über mehrere Tage aufgebaute und eskalierende Marter des grübelnden Verstandes zu beenden wäre, war ich mein eigener Befehlsempfänger - alternativlos.“ Diese kurze Schilderung einer längeren persönlichen Lebenskrise mag darüber Auskunft erteilen, dass ein andauerndes Gedankenkarussell nicht zuträglich ist für ein gesundes Leben. Bereits der Philosoph Aristoteles formulierte in dieser Hinsicht die Erkenntnis: „Auch das Denken schadet einem zuweilen an der Gesundheit.“

Denken ist ein wichtiger mentaler Prozess, doch der Alltag erfordert in erster Linie eine liebevolle Präsenz, um das Leben gegenwärtig zu erleben. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen und auch nicht wissen, was die Zukunft bringt, und in jeder Lebenskrise verbirgt sich die Chance, sich mit allen Sinnen zu besinnen auf das, was gerade passiert. Dann können wir jedem Tag mehr Leben geben und laufen auch nicht mehr Gefahr, in eine "Grübelfalle“ zu geraten, in die sich sogar der suizidale Gedanke einschleichen kann, sich das Leben zu nehmen.

Achtung: Bei einer suizidalen Krise bitte die Telefonseelsorge oder den Euronotruf 112 anrufen.

„Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Philosophie.“ So besagt es der Philosoph Albert Camus und der erste Welt-Suizid-Report der Weltgesundheitsorganisation beschreibt, dass sich im Jahr 2012 etwa 800.000 Menschen das Leben genommen haben, und viel mehr dachten darüber nach. Dachten darüber nach! Mögen die Probleme noch so schwierig sein, wir können das Leben erleichtern, wir müssen nicht lebensmüde den Ast des Lebensbaums absägen, an dem wir von Geburt an reifen sollen. Siehe: Ansprache zum Schulbeginn / Erich Kästner

In der Ansprache zum Schulbeginn ist zu lesen, dass wir am Baum des Lebens aufwachsen und nur dann ein Mensch sind, wenn wir erwachsen werden und Kind bleiben. Erich Kästner bezeichnet unsere Kindheit als Leuchtturm, denn als neugeborenes Kind können wir noch nicht sprechen und noch nicht denken. Wir müssen das Denken erst erlernen und die Kindheit bekundet, dass wir nicht in eine persönliche Lebenskrise geraten müssen, sondern die Gesundheit schon in jungen Jahren fördern können, um ein langes Leben zu genießen.

Im Buch Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn  bemerkt Viktor Frankl: „Wenn ich an einem grauen Star leide, dann nehme ich ihn in Form eines Nebels wahr, den ich sehe, und wenn ich an einem grünen Star erkrankt bin, dann sehe ich rings um die Lichtquellen einen Hof von Regenbogenfarben. So oder so, in dem Maße, in dem das Auge etwas von sich selbst sieht, ist das Sehen schon gestört. Das Auge muß sich selbst übersehen können. Und genauso verhält es sich mit dem Menschen. Je mehr er sich selbst übersieht, je mehr er sich selbst vergißt, indem er sich hingibt einer Sache oder anderen Menschen, desto mehr ist er Mensch, desto mehr verwirklicht er sich selbst. Erst die Selbstvergessenheit führt zur Sensitivität und erst die Selbsthingabe zur Kreativität.“